F12) Beispiele zirkulärer Städte

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Näringen – Vision einer zirkulären Stadt

Der international tätige Architektur- und Ingenieur-Dienstleister Sweco skizziert im Report „Circular City Transformation“ ein visionäres Szenario, wie eine Circular City im Jahr 2040 aussehen und funktionieren könnte. Basis dieses Zukunftsbilds bildet Näringen, ein 6000 Haushalte umfassendes Quartier der schwedischen Stadt Gävle (Sweco 2023).

Quelle

Durch den Einsatz innovativer und nachhaltiger Technologien, Bauweisen, Produkte und Geschäftsmodelle soll es gelingen, ein neues urbanes Paradigma zu etablieren:

  • Reduktion von CO2-Emissionen in der Bauphase durch intelligentes Gebäudedesign:
    z.B. durch holzbasierte Leichtbauweise. Dadurch können Emissionen auf 170 kg CO2 pro qm reduziert werden – betonbasierte Konstruktionen mit Ziegelfassaden emittieren 370 kg CO2 pro qm.
  • Einsparung von CO2-Emissionen durch energieeffiziente Architektur:
    auf Basis kombinierter Installation von PV-Paneelen bzw. Solarzellen auf/an schattenfreien Dächern bzw. Fassaden. Dadurch kann der Energiebedarf um rund 60% im Vergleich zu einem traditionellen Gebäude ohne Solarzellen reduziert werden.
  • Integration von Lebensmittelproduktion zur Deckung des Ernährungs- und Energiebedarfs des Quartiers:
    Dadurch können bis zu 2700 Tonnen Lebensmittel pro Jahr angebaut werden – anfallende Abfälle können genutzt werden um den Strom- und Energiebedarf der lokalen Schule zu decken.
  • Radikale Reduktion von CO2-Emissionen durch umfangreiche Veränderung der Mobilitätsweisen:
    Durch Gehen, Radfahren und Elektromobilität kann eine neue Form des kollektiven, emissionsfreien Verkehrs geschaffen werden.
  • Verankerung von Sharing-Modellen:
    Leihen statt besitzen wird zur Selbstverständlichkeit. KI-basierte Services ermöglichen einen 24/7 Zugang zu Leihrädern, Mitfahrgelegenheiten und öffentlichen Verkehrsmitteln.
  • Etablierung von Kooperationen und urbanen Symbiosen auf Basis neuer, digitaler Technologien:
    Realisierung von Synergiepotenzialen in Bezug auf alle Ressourcenströme, inkl. Wärme, Strom, Mobilität, Nahrungsmittelproduktion etc.

Amsterdam – Circular Strategy 2020-2025

Die Stadt Amsterdam ist eine weitere Pionierin bezgl. der Adaption von Circular Economy Prinzipien im kommunalen Kontext und will auf Basis umfangreicher Maßnahmen bis 2050 eine „vollkommen zirkuläre Stadt“ sein (City of Amsterdam, 2020, S. 5). Ihr Ziel ist es, eine moderne, offene und florierende Stadt innerhalb der planetaren Grenzen zu werden.

Als Basis zur Entwicklung ihrer “Circular Strategy 2020-2025” diente das Doughnut Economics Framework von Kate Raworth, das wir in Modul C) genauer beschrieben haben. Der strategische Fokus liegt dabei im Wesentlichen auf der Optimierung von drei spezifischen Wertströmen mit dem höchsten wirtschaftlichen, ökologischen und/oder klimatischen Impact.

Lebensmittel- und organische Abfälle

Ziel ist es, Lebensmittelverschwendung weitestgehend zu reduzieren und anfallende Abfallströme bestmöglich zu nutzen (bspw. durch Aufbereitung als Biodiesel der als Treibstoff für Stadtbusse dient). Ebenso sollen natürliche Ökosysteme regeneriert werden und bspw. Baumschnittabfälle als Kompost und Nährstoff für Insekten und Böden genutzt werden.

Konsumgüter

Dieser Wertstrom betrifft vor allem Elektronik, Textilien und Möbel und damit Produkte, die vielfach nicht repariert werden können. Die Stadt will deshalb den Ressourcenverbrauch, der mit der Produktion, Logistik und Nutzung dieser Produkte einhergeht, reduzieren und anfallende Abfallströme intelligenter verarbeiten.

Bauwesen

Ein weiterer Fokus liegt auf der Verwendung zirkulärer und nachhaltiger Materialien im Bausektor sowie auf der Entwicklung von Konstruktionsweisen, welche wechselnde Funktionen berücksichtigen. Ebenso will die Stadt Infrastrukturen an klimabedingte Anforderungen, wie steigende Temperaturen und Extremwetterereignisse, anpassen und bis 2040 gasfrei werden.

Für alle drei Wertströme wurde innerhalb des Strategieprozesses eine Reihe von strategischen Stoßrichtungen definiert (siehe Deep Dives).

Strategische Stoßrichtungen

  • Etablierung einer zirkulären Lebensmittelproduktion in (und für) städtische Gebiete
  • Förderung des gesunden, nachhaltigen und pflanzenbasierten Lebensmittelkonsums aller Einwohner
  • Minimierung der Lebensmittelabfälle im Einzelhandel, Hotel-, Gastgewerbe und in den Haushalten
  • Ausweitung der getrennten Sammlung von organischen Abfällen zur hochwertigen Verarbeitung
  • Ausweitung der qualitativ hochwertigen Verarbeitung von Biomasse und Lebensmittelabfällen
  • Forcierung der Schließung lokaler Nährstoffkreisläufe aus Biomasse und (Ab-)Wasserströmen
  • Reduktion des Verbrauchs und Vermeidung von Überkonsum
  • Förderung von hochwertigen Recyclingprozessen komplexer Konsumgüter
  • Förderung geteilter und langfristiger Nutzung von Produkten
  • Erhöhung der Anzahl lokaler Handwerkszentren mit Fokus auf Reparatur und Wiederaufbereitung von Produkten
  • Nutzung und Design standardisierter und modularer Produkte, die wiederverwendet, repariert und recycelt werden können
  • Förderung der zirkulären Stadtentwicklung auf Basis eines integrierten urbanen Konzepts/Ansatzes mit besonderem Fokus auf klimaverträgliches Bauen und der Schließung von Ressourcenkreisläufen
  • Anwendung kreislauffokussierter Kriterien bei der Vergabe von Grundstücken und der Ausschreibung aller Bau- und Infrastrukturprojekte im öffentlichen Raum
  • Entwicklung von Gebäuden mit anpassungsfähigen Funktionen und Systemen
  • Ausbau von kreislauforientierten Demontage-Systemen und der getrennten Wertstoffsammlung
  • Verwendung von erneuerbaren und wiederverwendeten Baumaterialien
  • Förderung kreislauforientierter Renovierung im privaten und sozialen Wohnungsbau

Um die gesetzten Ziele zu erreichen, setzt die Stadt Amsterdam auf eine breite Partizipation der Bevölkerung, die Unterstützung von sozialen Organisationen, KMUs und Konzernen, Lobbying-Aktivitäten und regulativen Ansätzen. (City of Amsterdam 2020)

Video: In diesem Beitrag der Ellen MacArthur Foundation erklärt Eveline Jonkhoff, Programm Manager von Amsterdam Circular, wie das Donought Economy Framework von Kate Raworth als Basis der Circular Strategy 2020-2025 angewandt wurde (in englischer Sprache).

Heidelberg – digitales Materialkataster als Basis für Urban Mining

Als erste Stadt in Europa will Heidelberg seinen gesamten Gebäudebestand in ein digitales Materialkataster überführen. Dadurch soll dokumentiert werden, welche Materialien in welcher Qualität und Menge verbaut wurden. Dies trägt dazu bei, den Einsatz von Baumaterialien effizienter zu gestalten und die Abhängigkeit von importierten Rohstoffen zu reduzieren. Das Materialkataster basiert auf dem „Urban Mining Screener“, der anhand von Gebäudedaten die Materialzusammensetzung abschätzen kann. Dabei werden Faktoren wie Standort, Baujahr, Gebäudevolumen und Gebäudetyp berücksichtigt. Das Pilotprojekt hat bereits Gebäude im Patrick-Henry-Village erfasst, einer ehemaligen Wohnsiedlung, die zu Wohn- und Arbeitsstätten umgebaut wird. Das Kataster zeigt, dass hier erhebliche Mengen an wertvollen Baustoffen wie Beton, Ziegeln und Metallen vorhanden sind. Die Stadt Heidelberg hat Partner, wie den Baustoffkonzern Heidelberg Cement und die Materialplattform Madaster, in das Projekt eingebunden. Heidelberg Cement arbeitet daran, Betonabbruch zu recyceln und in den Baukreislauf zurückzuführen. (320 Grad 2022)

Rotterdam – Wiederverwendung von Regenwasser

Das Rotterdamer Projekt „Urban Waterbuffer“ zielt darauf ab, Regenwasser im urbanen Raum durch gezielte Umleitung, Rückhaltung und Reinigung zu filtern und wiederzuverwenden. Das Projekt wurde 2018 am Stadion des Fußballklubs Sparta Rotterdam realisiert: Regenwasser, das auf befestigte Flächen im und um das Stadion fällt, wird zunächst in einer unterirdischen Pufferzone gesammelt, bevor es zur Filtration und Reinigung in ein natürliches, bepflanztes Klärsystem geleitet wird. Nach der Reinigung fließt das Wasser in einen Wasserspeicher ab und wird bei Bedarf der Bewässerung des Stadionrasens und der Luftkühlung zugeführt. (Urban Green-Blue Grids 2018)

Quelle

Leipzig – digitale Landkarte zur Abfallvermeidung und Ressourcenschonung

Der Landkreis Leipzig arbeitet im Rahmen des Projektes „Zero Waste – Null Verschwendung“ an verschiedenen kreislauforientierten Initiativen, wie der Entwicklung von Bildungs- und Informationsangeboten zur Abfallvermeidung und Ressourcenschonung. Das zentrale Element dieses Projektes ist die Entwicklung einer interaktiven Online-Übersichtskarte, die Informationen zu Reparaturdiensten, Tausch- und Mietangeboten, Unverpackt- und Second-Hand-Läden, Sozialkaufhäusern, nachhaltiger Gastronomie und Anleitungen zur Selbsthilfe enthalten soll. Das Projekt soll Ende 2023 online gehen. (Stadt Leipzig 2022)

Quelle

Dallas – Urban Farming in der ehemaligen Autometropole

Die Stadt Dallas hat im März 2023 den „Comprehensive Urban Agriculture Plan“ (CUAP) verabschiedet, um die Ernährungssicherheit zu verbessern und die urbane Landwirtschaft in der Stadt zu entwickeln. Der Plan soll den Zugang zu gesunden Lebensmitteln in marginalisierten Gemeinschaften verbessern und umfasst verschiedene Formen der urbanen Landwirtschaft wie Dachfarmen und Hydrokulturen. Dallas steht vor den Herausforderungen des Klimawandels und extremer Wetterereignisse, die das Ernährungssystem stören können. Steigende Lebensmittelpreise und eine schlechte Infrastruktur für die Lebensmittelversorgung erhöhen den Bedarf an robusten, zugänglichen Lösungen. Der CUAP zielt darauf ab, Barrieren abzubauen, den Zugang zu landwirtschaftlich nutzbaren Flächen in brachliegenden Gebäuden und auf innerstädtischen Flächen zu erleichtern, Bildung und Ressourcen bereitzustellen und die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren zu fördern. Er steht im Einklang mit dem umfassenden Umwelt- und Klimaaktionsplan der Stadt und wurde in Zusammenarbeit mit „Agritecture Consulting“ und anderen Organisationen entwickelt. (Jennings 2022)